María
Eloy-García
Die Spoken Word Dichterin María Eloy-García (*1972,
Spanien) studierte Geographie und Geschichte. Als Teilnehmerin an verschiedenen
Poetry Slams machte sie sich in der Szene einen Namen. In ihren
innovativen Gedichten unterläuft Eloy-García herkömmliche Erwartungen. Sie
greift zunächst gängige Empfindungen, Eindrücke, Gewohnheiten auf, nur um sich
ihnen dann durch ihre eigenwillige Sprache zu widersetzen. Mal ironisch, mal
surrealistisch beschreibt sie das menschliche Verhalten in Alltagssituationen:
im Bus, in der Warteschlange, im Fahrstuhl.
María Eloy-García hat an Zeitschriften wie „Litoral“, „El maquinista de la generación”,
“Fósforo” mitgewirkt. 2001 wurde sie mit dem Preis „Carmen Conde“
ausgezeichnet.
Ihre Gedichte wurden ins Deutsche übertragen von Dichter, Tänzer und Übersetzer Udo Kawasser. Udo Kawasser
(1965), wuchs am österr. Bodensee auf, studierte dt., frz. und span. Philologie
in Innsbruck und Wien. Zeitgenössischer Tänzer, Dichter und Übersetzer
spanischsprachiger Literatur. 2007 erschien die Prosa Einbruch der
Landschaft. Zürich – Havanna, 2008 kein mund. mündung (Gedichte). Nach dem illustrierten
Gedichtband vom augenrand, 2011,
publizierte er 2012 kleine kubanische
grammatik (Gedichte). Erhielt zuletzt das österr. Staatsstipendium für
Literatur und den Vorarlberger Literaturpreis.
In Ihrem Essay zur BARDINALE findet María Eloy-García deutliche Worte zu Europa und straft all jene Lügen, die zahncremeweißlächelnd glänzende Ideale beschwören, die längst von wirtschaftlicher Realität überschattet sind:
Europa ist
eine Lüge. Eine Einheit lässt sich nicht auf der Grundlage unterschiedlicher
Budgets herstellen, Kulturen dürfen nicht wegen einer Währung ausgelöscht
werden, man darf eine Gemeinschaft von Menschen nicht nur in Hinblick auf einen
Aspekt, nämlich die Wirtschaft, betrachten. Sie stellen uns mit Wohlstand
zufrieden, um uns die Seele zu nehmen, die leer durch unsere Zeit irrt. Wir
sind Eurozentriker und Abendländer, aber langsam bringen uns die Unterschiede,
das Bodenständige, das Freidenkerische, das Besondere, das immer schwerer zu
kontrollieren ist, um. Dennoch bestehen Ungerechtigkeiten weiter, gibt es
Menschen, die Zeit haben und solche, die keine Zeit haben zum Nachdenken, zum
Kritisieren, um zu überlegen, was sie glauben sollen. Wir denken alle gleich,
ziehen uns gleich an, entscheiden von gleichen Voraussetzungen ausgehend auf
dieselbe Art, was richtig ist und was nicht. Wir haben eine Maschine zur Schaffung
von Wohlstand geschaffen, eine Maschine, die die Toten und Enterbten unter den
Teppich kehrt, wir haben eine Maschine geschaffen, die identische Menschen produziert,
unpersönlich in jedem Twitter, jeder SMS und auf jedem Foto der Wirklichkeit.
Während in der übrigen Welt die Wahrheit vielstimmig, klug und beweglich zusammengebastelt
wird, machen wir hier mit der alten Angewohnheit weiter und lassen zu, dass
sich die Dinge von innen her zerstören. Wir erlauben den Freigeistern aber
nicht sich hervortun, denn wir beurteilen sie, wir subventionieren sie, wir
behandeln sie mit der Distanz, die die „Hoch“-Kultur für richtig hält. Die
„Hoch“-Kultur hat sich so weit von den Leuten entfernt, ist so wenig
demokratisch, so von sich eingenommen, dass man bisweilen keine Lust mehr hat
hinzusehen.
Europa ist
eine Lüge, sowohl was das Denken, als auch was die Freiheiten betrifft. Es ist eine
Erfindung von Technokraten, um dem Handel bessere Chancen zu verschaffen, dem Einzigen
was wirklich frei ist. Ansonsten versuchen wir in unseren Ländern weiterhin die
kleinen Missstände unserer ungerechten Märkte, unserer Schulden, unseres von
innen betrachteten Ichs zu beheben. Mir reicht es, alte Reden zu neuen
Problemen zu hören. Wenn wir neue Lösungen suchen wollen, dann hat es keinen
Wert dieselben Fragen zu stellen. Wir müssen an das Grundlegende rühren, an die
Vielfalt, das Schwierige, an das, was Zeit braucht, um sich
herauszukristallisieren und stark zu werden. Während die Märkte ihr Spiel
spielen, schaut der Dichter auf seine Quote, die schon lange nicht mehr steigt,
und spürt, wie er sein Interesse verliert.
Nach dem gesponsorten Hass, der abgestimmten Gewalt, der
subventionierten Traurigkeit, dem automatisierten Schmerz, den von Bedeutung
gereinigten Worten und der angeeigneten Leere bleibt uns nur mehr der zarte
Glanz einer DNA-Sequenz, die wir aus jener Ursuppe geerbt haben, und die den
Namen Überleben trägt.
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