Dienstag, September 10, 2013

Aris Fioretos - Essay und Vita (deutsch und englisch)


Aris Fioretos

 

Aris Fioretos (* 1960, Schweden) ist ein schwedischer Schriftsteller griechisch-österreichischer Abstammung. Er studierte unter anderem in Stockholm und Paris sowie an der Yale University. Sein Debüt beging er 1991 mit dem prosalyrischen Band Delandets bok (Das Buch der Teilung). Danach folgten mehrere Romane, Essays und literaturhistorische Studien. Seine Werke sind in ein Dutzend Sprachen übersetzt worden. Zwischen der Arbeit an eigenen Texten übersetzt Fioretos die Werke anderer ins Schwedische – zum Beispiel späte Gedichte von Friedrich Hölderlin, englisch-sprachige Romane von Vladimir Nabokov und Aphorismen von Walter Serner. Er schreibt regelmäßig im Feuilleton der größten schwedischen Tages-zeitung Dagens Nyheter und hat eine Reihe von Auszeichnungen erhalten, zuletzt den Großen Preis der Samfundet De Nio (2013). Seit 2011 ist er einer der Vize-Präsidenten der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. Auf Deutsch erschien im Frühjahr 2013 der Prosaband Die halbe Sonne; im Herbst folgt Verabredungen, eine Sammlung von Gesprächen zwischen ihm und Durs Grünbein. Fioretos lebt und arbeitet in Berlin und Stockholm.

In seinem Essay zur BARDINALE stellt er Betrachtungen an über die Seele Europas, über die Kraft der Literatur und über Begriffe, Ideen und Gedanken zum Leben in Europa:


Du Wasser, du Gänsehaut
Worte zum Roman, zu Europa, zur Zukunft etc.




Liquidität
Es heißt, du seist mitten in Europa entstanden, eine Erfindung des alten Kontinents wie die Demokratie oder der Pockenimpfstoff, oder auch die Daumenschraube und die Biometrie, dein Ursprung sei die mittelalterliche Romanze, doch seit die Zeitungen begonnen hätten, dich in ihren Feuilletons abzudrucken, seist du in den meisten denkbaren Formen aufgetreten, von Familiensagas voller Säbelrasseln und Samowaren bis zu Eigenbrötlern, die sich an gottverlassenen Ufern Steine in den Mund stopfen, ich persönlich träume von dir allerdings als einem Wasser, grenzenlos, und dennoch sammel- und kanalisierbar, ebenso oft schmutziger Meerschaum wie aphrodisisches Putzwasser, denn ich glaube, du kannst die unterschiedlichsten Gestalten annehmen, ohne verloren zu gehen, oder anders gesagt, du enthältst Vielfältiges, wie Wasser in Wasser, und deshalb beschwöre ich dich, der du viele bist, als sei dein Zentrum überall, und als gebe es somit etwas, was dafür sorgt, dass du dir trotz deiner wechselnden Züge gleichst, und ich frage mich, ob diese haltbare Veränderlichkeit, die man auch Liquidität nennen könnte, nicht als dein größter Vorzug betrachtet werden muss, vielleicht ist sie sogar der einzige Grund, weiter an dich als selbständige Erkenntnisform zu glauben, also anzunehmen, dass du auch im Zeitalter medialen Überflusses eine Zukunft hast, und deshalb erlaube mir, mich zu räuspern und zehn, hrm, Gebote in Schlüsselwörtern für die Zukunft vorzuschlagen, geschrieben, wie es sich gehört, auf Wasser – von denen das zweite nach deiner Liquidität laute

Frist
Denn von allem, was du bist, scheint mir der Aufschub am selbstverständlichsten, er sorgt dafür, dass man als Leser allein sein kann, ohne sich einsam fühlen zu müssen, abgeschieden, aber verbunden mit anderen Schicksalen, geschützt und gleichwohl grenzenlos, und ich gestehe, dieses offene Asyl gehört für mich zum Besten an dir, gut möglich, dass es sich sogar als eine Aufenthaltsgenehmigung im staatenlosen Reich der Buchstaben betrachten lässt, im Prinzip für jeden zugänglich, eine dehnbare Dimension, in der die Vergangenheit im Gegensatz zum wirklichen Leben niemals vorbei ist, die Zukunft selten sicher erscheint und die Gegenwart keinesfalls eine einzige ist, so dass die drei Zeitformen gemeinsam ein viertes Tempus bilden, das, so mein Verdacht, dein eigenes sein könnte, und sicher liegt es nahe, es als eine Gnadenfrist jener Art zu betrachten, wie sie die grauhaarige Meisterin deiner Zunft, Scheherazade, erwirkte, als es ihr Nacht für Nacht gelang, das Unvermeidliche aufzuschieben, bis die Verwicklungen so zahlreich, und die Vertraulichkeiten so zuverlässig waren, dass der König kapitulierte und das Todesurteil in eine Hochzeit umwandelte, wodurch sich der Tod, von dem du im Übrigen auch handeln musst, als mit Worten bezwingbar erweist, aber ich bin mir nicht sicher, dass man sich heute noch auf glückliche Enden verlassen kann, jedenfalls nicht, wenn du als eigenständige Erkenntnisform betrachtet werden sollst, außerdem ist eine Frist ja nicht nur der Zeitraum, in dem ein Mensch aufatmet, sondern kann auch ein weitaus weniger befreiender Limbus sein – wie etwa der so genannte „Gewahrsam“, eine Anlage zwischen den Cateringfirmen und Logistikunternehmen am Flughafen Arlanda vor den Toren Stockholms, wo Flüchtlinge darauf warten, „nach Hause fahren zu dürfen“, wie die Behörden es ausdrücken, eine eher beschönigende Umschreibung, denn der Ausgang steht fest, sobald sie dort die Schwelle übertreten haben, weshalb man sagen muss, dass sie letztlich nur auf die Deportation, oder „Rückführung“ warten, wie der offizielle Begriff lautet, was das Heimweh, das als das Grundmotiv in der epischen Tradition gilt, aus der du entstanden bist, als Strafurteil erscheinen lässt, denn wenn es etwas gäbe, wohin sich zurückkehren ließe, zum Beispiel ein Heimatland, hieße dies ja, dass es die Minimalanforderung an ein Zuhause erfüllen würde, folglich in der Lage wäre, sich um seine Bürger zu kümmern.

Kontrast
Aber so ist es nicht und diese Verdrehung der Sprache ist eine Perversion, von der sich kein Idiom freizumachen vermag, nicht ganz, weil es in der Natur der Sprache liegt, nicht nur darzustellen, sondern auch zu entstellen, worüber sie spricht, so dass die Verdrehung als die Kehrseite jener Veränderlichkeit betrachtet werden könnte, in der ich deinen vornehmsten Vorzug sehe, denn nur durch Widersprüche bekommt die Wirklichkeit Kontrast, womit ich übrigens beim dritten Gebot bin, und deshalb meine ich, dass du nicht als ein Medium behandelt werden sollst, mit dem Worte von schmutzigem Gebrauch reingewaschen werden, selbst wenn dies eine noch so noble Aufgabe für Wasser wäre, sondern vielmehr als die Kontrastflüssigkeit, mit der − die politischen oder anderen − Bedingungen für die Verdrehung hervortreten, zum Beispiel die Gründe dafür, dass das Personal im Gewahrsam von „würdevollen“ Rückführungen spricht, womit der Augenblick gemeint ist, in dem ein Flüchtling schließlich „fühlt, dass es okay ist, in sein Heimatland zurückzufahren“, wie es auch heißt, und man die Deportation also endlich als ein gemeinsames Ziel betrachten kann, während es in Wahrheit darum geht, eine rechtliche und rhetorische Situation zu konstruieren, die nur einen Ausgang haben kann, und es sich also nicht um einen Gewahrsam, sondern eher um eine Falle handelt, wenn auch juristisch unbestechlich, in der jede Handlung, die die Bedingungen nicht bestätigt, früher oder später kriminalisiert wird, was übrigens der Grund dafür ist, dass die Behörden Flüchtlingen, die ihren Pass verloren haben, so selten glauben, da eine Person ohne Ausweis nicht ausgewiesen werden kann, zumindest nicht in ihr so genanntes Heimatland, sondern zu dem ersten EU-Staat zurückgeschickt wird, in den sie ihren Fuß setzte – was in den meisten Fällen ein Mitgliedsland am Rande der Union bedeutet, beispielsweise Griechenland oder Spanien, deren Exklaven Melilla und Ceuta in Nordafrika besonders beliebt sind als erstes Ziel für „die“, womit die sogenannten Migranten gemeint sind, was in der Praxis bedeutet, dass die Kernstaaten der Union einen juristischen Wallgraben um sich erschaffen haben, der sie vor Eindringlingen schützt, und damit wäre ich bei der Frage der

Perspektive
An einem Ort wie dem Gewahrsam bildet dieses „die“ den kleinsten gemeinsamen Nenner für die somalischen Mütter und afghanischen Jugendlichen und irakischen Väter und syrischen Kinder und kurdischen Großeltern, die alle darauf warten, zu „fühlen, dass es okay ist, in sein Heimatland zurückzufahren“, und so gezwungen werden, sich in der boshaftesten Art von Nostalgie zu üben, und ich frage mich, ob „die“, die es anderen übrigens ermöglichen, sich „wir“ zu nennen, nicht ein Teil jenes „stillen Gepäcks“ sind, das die Literatur Herta Müller zufolge zum Sprechen bringen soll, denn was bedeutet „die“ denn anderes als eine Nicht-Zugehörigkeit, und demnach eine Unterscheidung zwischen Einheimischen und Fremden, verständlich Gesagtem und barbarischem Gebrabbel oder wie sonst das Verhältnis im Laufe der Jahrhunderte qualvoller Distinktionen formuliert wurde, die wir nur zu gut kennen, und folglich muss jemand, der das stille Gepäck ernsthaft zum Sprechen bringen möchte, die Verantwortung für den Inhalt übernehmen, wenn auch nur in geringem Maße, was wiederum heißt, „die“ werden als „wir“ betrachtet, und sei es auch nur in geringem Maße, und damit ist der Perspektivismus, nach wie vor eines deiner besten Mittel, um widersprüchliche Zusammenhänge darzustellen.

Legion (take one)
Übrigens ist er auch der Grund dafür, dass eine der einfältigeren Ideen der jüngeren Vergangenheit in dem Versuch bestand, „Europa eine Seele zu geben“, was einer der sogenannten Väter der Union als deren wichtigste Aufgabe betrachtete, zumindest bis gewisse Mitgliedsstaaten einen etwas kreativen Umgang mit Subventionen und Steuervorschriften an den Tag legten, „donner une âme à l’Europe“, lautete nämlich der Slogan, mit dem Jacques Delors zu einer kulturellen Konsolidierung des Kontinents aufrief, ein Vorsatz, den er sicherlich ehrlich gemeint hat, jedenfalls war er der Meinung, eine gemeinsame Identität müsse jenseits von Schengener Abkommen und Währungszonen entwickelt werden, sonst drohten Einzelinteressen die Union zu sprengen, aber die Vorgehensweise war mit Verlaub naiv, denn man muss sich nicht nur fragen, ob sich eine „Seele“ verordnen lässt, als handelte es sich um Sparmaßnahmen oder Penicillin, von oben herab, es dürfte wohl auch erlaubt sein, in Frage zu stellen, ob Europa nur eine Seele hat oder nicht eher aus vielen besteht, jedenfalls ist es vielleicht an der Zeit, die Pflege von Vielfalt, und damit von Unterschieden, als Teil des europäischen Erbes zu betrachten, so dass es möglicherweise einfacher wäre, Vorstellungen von einer Seele zu vergessen und stattdessen von Legion zu sprechen, so das fünfte Gebot, und nur weil das Wort selten ein und dasselbe bedeutet, darf es zudem auch das sechste sein.

Legion (take two)
Bekanntlich taucht die Bezeichnung in einer Szene in der Bibel auf, übrigens einer anderen deiner Urquellen, in der Jesus, nachdem er an einem fremden Ufer an Land gegangen ist, einem Mann begegnet, „der seine Wohnung in den Grüften hat“, wo er besessen von einem „unreinen Geist“ sich selbst mit Steinen schlägt und sich „nicht mit einer Kette“ fesseln lässt, kurzum: Wir stehen einem Prachtexemplar eines schwer zu integrierenden Menschen gegenüber, nicht nur selbstzerstörerisch, sondern auch unter den Toten daheim, der auf die Frage nach seinem Namen antwortet: „Legion ist mein Name, denn wir sind viele“, und ich frage mich, ob das nicht das Motto für Europa als literarischer Kontinent sein könnte, jedenfalls muss ich nun ein Geheimnis verraten, da ich den Verdacht hege, dass die Aussage eine Miniversion wenn schon nicht unseres Kontinents, so doch zumindest deines genetischen Codes enthält, denn in dieser Äußerung geschieht etwas nach der Behauptung, aber vor der Schlussfolgerung, es scheint eine Verzerrung im Herzen des Satzes zu geben, wodurch die Person, die anfangs spricht, nicht die ist, die den Satz beendet, weil sich der Sprechende zwischen dem ersten und dem zweiten Gliedvon jemandem, der „mein“ sagen kann, in jemanden verwandelt, der sich „wir“ nennt, und ist es nicht genau das, was du tust, du verwandelst jedes einzelne „ich“ in etwas von einem „wir“, denn als Leser muss man sich in jede einzelne Person versetzen, die zur Sprache kommt, wenn auch nur ein bisschen, und damit erweitert sie sich zu einer Vielzahl, was bedeutet, dass die Verzerrung nicht im Gegensatz zur Veränderung steht, sondern eher mit ihr koexistiert, und in dieser Verwandlung, die ich meine, somit dein Versprechen an den Leser liegt und bedeutet, dass keiner, der bei dir eine Frist sucht, dich als derselbe Mensch verlassen muss, dass es in dieser Verwandlung also eine erschaffende und eine auflösende Kraft gibt, und wenn du nicht bloß der Zerstreuung dienen, sondern eine eigenständige Erkenntnisform sein willst, kannst du dich nicht einfach damit begnügen, mehr oder weniger gut verpackte Bearbeitungen dringlicher sogenannter „Themen“ anzubieten, sondern musst dich von Erwartungen daran freimachen, was du bist oder sein sollst, und stattdessen damit überraschen, was du werden kannst – nichts anderes bedeutet jedenfalls das siebte, woran ich denke, wenn ich an dich denke, nämlich

Das Papierlose
Was eine andere Bezeichnung wäre für „das stille Gepäck“, das du zwischen Buchdeckeln auspackst, zumindest wenn man mit Literatur einen Weg meint, etwas weiter zu gehen, als die Sprache eigentlich erlaubt, und somit eine Erkenntnisform, die sich behauptet, wo Erinnerung und Vernunft nicht genügen, und natürlich ist mir bewusst, dass mit Menschen „ohne Papiere“, also papierlosen Menschen, im Allgemeinen Personen gemeint sind, die ihre Identität nicht mit den dazu erforderlichen Dokumenten nachweisen können oder wollen, was in manchen Teilen Europas zu einem Status geworden ist, der nur einen Atemhauch von den „Vogelfreien“ des Mittelalters entfernt ist, aber dieser Zustand ohne Papiere rührt auch an etwas Wichtiges bei dir, der du entstanden bist, als die Druckerpresse begann, Buchstaben auf Zellulose zu vervielfältigen, denn liegt es nicht in deiner Natur zu versuchen, dir das noch Unbeschriebene einzuverleiben, das in gewissem Sinne nicht legitimierte, vielleicht auch Illegitime, was natürlich nicht heißt, dass diese menschlichen Erfahrungen ungelebt wären, sondern nur, dass sie bislang unformuliert geblieben sind, und ich möchte behaupten, dieser Wunsch, dem Papierlosen Worte zu verleihen, gehört zu deiner Daseinsweise, ja dass du, wenn du dich selber ernst nimmst, mit allen Mitteln auszudrücken anstrebst, was es noch nicht auf Papier gab, und streng genommen kenne ich keinen besseren Grund für deine Existenz.

Vergänglichkeit
Ich gehöre jedenfalls nicht zu denen, die glauben, du seist unsterblich, also eine Ausdrucksform, die für alle Zeit gegeben, bekannt und nicht mehr fortzudenken sei, denn immerhin sind lediglich ein paar hundert Jahre vergangen, seit du deine heutige Gestalt bekamst, und was sagt uns, dass du in dieser Form weiterleben musst, im Gegenteil, ich glaube an deine wassergleiche Fähigkeit, neue Gestalten anzunehmen, dein größter Vorzug bleibt deine Liquidität, und vielleicht sorgt nur das Vertrauen auf sie für dein Überleben, als könne der Glaube an die Vergänglichkeit dich tatsächlich retten, was übrigens mein achtes Gebot wäre, diese Vergänglichkeit, da ich annehme, nur wenn du von ihr ausgehst, hast du dem Leser mehr zu bieten als eine Erzählung und wirst zu einem narrativen Bewusstsein, geräumig genug, um eine heimliche Menschlichkeit zu enthalten, und Hand aufs Herz ist es doch das, worum sich alles dreht, nämlich

Teilnahme
Womit ich bei meinem neunten Gebot wäre, dieser Teilnahme, von der Brecht sprach, als er sich den Menschen nicht als „Individuum“, sondern „Dividuum“ vorstellte, mit anderen Worten nicht als existentielles, sondern soziales Wesen, denn zwar weiß selbst das Personal des Gewahrsams, dass die Rechte eines Menschen universal sind, und er folglich als unantastbar und unteilbar, also als Individuum, behandelt werden muss, aber als soziales Wesen besteht er aus Bindungen, ist er ebenso sehr Atom wie Molekül, und so stelle ich mir ein narratives Bewusstsein vor, als etwas, das zugleich größer und kleiner ist als das Ego, und deshalb immer klüger als sein Urheber, will sagen eine aus Bindungen bestehende Schöpfung, und ich frage mich, ob dies nicht heißt, dass du im Idealfall ein Text sein sollst, bei dem sich das Zentrum überall befindet, zumindest gestehe ich gern, dies wäre mein heimlichster Traum, dieser Text, in dem sich das Zentrum überall befindet, denn nur so erscheint es möglich, der Welt in ihrem verwirrenden Reichtum gerecht zu werden, und auch die Leichtigkeit und Freude in einem Dasein einzufangen, das gleichzeitig eine Hölle ist, Hoffnung ist trotz allem etwas anderes als ein glückliches Ende, und trotz allem geht es ja nicht darum, Personen zum Leben zu erwecken, die man sich ausgedacht hat, sondern darum, Leben in Bewegung zu setzen, doch nun fragt sich der Ordnungsliebende sicher, ob es solche Bücher gebe, oder ob sie zukünftig geschrieben werden, und was weiß ich, vielleicht ist das nur ein papierloser Wunschtraum, aber die beste Art, die Zukunft vorherzusagen, dürfte wohl immer noch sein, sie zu erfinden, und ich bekenne, dass ich als Leser seit langem einer Prosa überdrüssig bin, die beweist, was wir nicht kennen, aber gleichwohl schon wissen, all dieser wohlerzogenen Erzählungen, lobenswerten Schulaufsätzen ähnelnd, in denen die Themen und Personen ausgetauscht werden, die Konventionen jedoch unverändert bleiben, als wäre in der Epik in den letzten hundert Jahren nichts geschehen, und ich frage mich wirklich, ob es so sein muss, ich begreife nicht, warum du nicht ebenso gut ein Katalog über Atemzüge sein könntest, so einzeln und vergänglich wie liebevoll beschrieben, oder sieben Fälle von Schmerz, verteilt auf achteinhalb Wesen, denn die Pointe muss doch sein, dass die Literatur keine Pyjamaparty ist, bei der unsere gierige Sehnsucht nach bequemer Zusammengehörigkeit das Gespür für Komplikation ersetzt, aber nun höre ich den Ordnungsliebenden ungeduldig mit den Füßen scharren, und na schön, lass mich eine gute Handvoll Titel in ebenso vielen Sprachen nennen, bei denen ich ahne, dass sich das Zentrum überall befindet, lass mich tun, was kein Schriftsteller mit Selbsterhaltungstrieb tun sollte und Herta Müllers Die Atemschaukel, Mircea Cărtărescus Orbitór-Trilogie, Nina Bouraouis Mes mauvaises pensées, Aleksandar Hemons Die Sache mit Bruno, Sara Stridsbergs Traumfabrik und Andrzej Stasiuks Unterwegs nach Babadag nennen, Bücher, die alle seit der Jahrtausendwende erschienen sind und in denen der Leser jeweils einem narrativen Bewusstsein begegnet, das ihn eine Gänsehaut bekommen lässt, es ist, als spreche in diesen Texten Legion, und dann ist es ehrlich gesagt völlig unerheblich, ob sie in ukrainischen Arbeitslagern oder auf den Sofas französische Analytiker spielen, in albanischen Dörfern oder rumänischen Mietskasernen, hier spricht das früher ohne Papier existierende über und zu seinen Bedingungen – und wie wäre es, um endlich zum zehnten zu kommen, woran ich denke, sobald ich an dich denke, wenn man dies als die deutlichste Art betrachten würde, in der die Literatur Evidenz erzeugt, diese

Gänsehaut
Nein, ich meine nicht, dass erzählende Prosa Thesen beweisen soll, noch weniger, dass ihre Aufgabe darin besteht, Wahrheiten zu verkünden, so wichtig sie auch sein mögen, aber wenn sie uns wirklich angeht, vermittelt sie ein Gefühl von Unabweisbarkeit, sie enthält etwas, wogegen wir uns als Leser nicht wehren können, eine Unruhe oder Aufgeregtheit, vielleicht Bestürzung, womöglich Begeisterung, jedenfalls etwas, was einer verheißungsvollen Anomalie gleicht, und wir entdecken, dass wir auf irgendeine verborgene Art zutiefst vertraut mit ihr sind, was unsere Gänsehaut nicht gerade abschwächt, sondern uns entdecken lässt, dass uns keine andere Wahl bleibt, wir müssen sie als Teil unserer Daseinsweise betrachten, als wisse die Literatur tatsächlich mehr über uns als wir selbst, und ich glaube, wenn die Prosakunst in Zukunft relevant sein will, muss sie solche Evidenz erschaffen, mit allen dir zu Gebote stehenden Mitteln, sie muss Gänsehautproduzent werden, denn ist die prickelnde Haut nicht die Entsprechung des Körpers zu einem Text, in dem sich das Zentrum überall befindet, diese unzähligen winzigen Erhebungen, die jede für sich einen eigenständigen Mittelpunkt bilden, was übrigens der Grund dafür ist, dass es bei der Produktion von Sinn in der Literatur niemals um Wachstum, sondern um Überschuss geht, und ich stelle mir vor, dass du nicht weniger als das versprichst, Roman, über den ich die ganze Zeit spreche, als könnte man von dir als von einer Person sprechen, du haarsträubender Überschuss von Bedeutung, und deshalb erlaube ich mir, ein elftes, überzähliges Gebot hinzuzufügen, nämlich

Überraschung
Denn du bist keine sichere „Bleibe“ oder „Unterkunft“, weder „Unterschlupf“ noch „Bauwerk“, was einige der Worte sind, auf die ich stoße, als ich nach Synonymen für „Haus“ suche, und am allerwenigsten eine „Festung“, will sagen eine Konstruktion, deren vordringlichste Aufgabe darin bestünde, vor Eindringen zu schützen, mit anderen Worten den Status quo zu wahren, im Gegenteil, du bist ein seelischer Aggregatzustand, nenne ihn Legion oder narratives Bewusstsein, weshalb du möglicherweise als Kollektivroman ohne Kollektiv betrachtet werden solltest, dennoch wollen es die Umstände, dass ich über dich in Verbindung mit dem „Haus Europa“ nachdenke, aber dieser sprunghaften Litanei lässt sich vermutlich entnehmen, dass ich mir dich nicht als permanent oder uneinnehmbar, abgegrenzt oder exklusiv vorstellen kann, und auch nicht, dass du dich über noch unbekannte, papierlose Gebiete menschlicher Erfahrung erhebst wie der geflügelte Pegasus, der dereinst aus dem Meer entstand, dieses mythische Pferd, das von Poseidon und Medusa gezeugt wurde und traditionell als Symbol für die Dichtkunst gilt, lieber glaube ich, dass du etwas durchaus Bodenständiges und von Menschen Erschaffenes und bereits mitten unter uns bist, als Verheißung oder Fluch, jenem eigentümlichen Gegenstand gleich, eher Flickwerk als Fabelwesen, der eines Tages nach Troja hinein gerollt wurde – ein staubiges Pferd, das mehr enthielt, als irgendwer sich hätte vorstellen können, das zu Traum und Trauma wurde, und ich denke mir, dies könnte dein Totemtier sein, du eigentümliche Verheißung von Erfolg und Zerstörung, du haarsträubende Überraschung, und wenn man bedenkt, dass du im Anbeginn der Sage an der kleinasiatischen Küste standest, wird offensichtlich, dass dein Zentrum nicht in Europa zu liegen braucht, sondern überall sein kann, was dich zugleich bedroht und bedrohlich sein lässt, und deshalb unendlich begehrenswert, was letztlich das einzige ist, was ich eigentlich die ganze Zeit denke, wenn ich an dich denke.

Aus dem Schwedischen von Paul Berf



Anmerkung. Einige Informationen stammen aus Björn Hedlunds Streitschrift Die Mauern des Forts (Stockholm: Atlas, 2012). Herta Müllers Eröffnungsrede bei der Göteborger Buchmesse 2011 trägt den Titel „Das stille Gepäck zum Reden bringen“. Brechts Bemerkungen über den Menschen als „Dividuum“ finden sich in „Marxistische Studien“, Gesammelte Werke (Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1967), Band 20, Seite 60.






Here the English version of the essay:
 
Oh Water, Oh Goosebumps
Words on the novel, Europe, the future etc.

 
Liquidity
It is said that you arose in the heart of Europe, an invention of the old continent like democracy or the smallpox vaccine, the thumbscrew or biometrics, it is said that your origin is the medieval romance, but that since newspapers began publishing you in their arts pages, you have appeared in most conceivable forms, from family sagas full of sabre-rattling and samovars, to solitary souls, who stuff stones in their mouths on godforsaken shores; I personally dream of you as water, limitless, yet collectable and channelable, in equal parts dirty sea foam and Aphrodisian washing water, for I believe you can take on a wide range of forms without loss; or, in other words, you contain manifold forms, like water in water, and that is why I invoke you, you who are many, as though your centre were everywhere, and as though there were therefore something that ensures that you resemble yourself in spite of your shifting traits, and I wonder whether this enduring variability, which could also be called liquidity, should not be considered your greatest asset, perhaps it is even the only reason to continue to believe in you as an independent form of knowledge, that is, to assume that you also have a future in the age of media superabundance, so let me clear my throat and put forward ten, ahem, commandments in abridged form for the future, written, as is appropriate, on water, the second of which I shall, in homage to your liquidity, entitle



Respite
For of all that you are, deferral appears to me the most self-evident; it ensures that one can be alone as a reader without feeling lonely, isolated yet connected to other destinies, both protected and unlimited, and I admit that for me this open asylum is among the best things about you; it could even be considered a residence permit in the stateless empire of letters, open in principle to all, an expanding dimension in which the past never ends – unlike real life – the future seldom seems secure and the present is in no way the only one, so that the three tenses combine to form a fourth, which, I suspect, could be your own, and of course it seems obvious to consider this a period of grace like that earned by the grey-haired mistress of your guild, Scheherazade, when she succeeded in postponing the inevitable, night for night, until the involvements were so numerous, and the confidentialities so close, that the king relented and turned the death sentence into a wedding, indicating that death itself, which, by the way, you must also face, can be conquered with words, but I am not sure that one can rely on happy endings nowadays, at least not if you are to be considered a separate form of knowledge. Besides, a respite is not just the time when human beings can breathe in relief, it can also be a far less liberating state of limbo – like the so-called “custody”, a facility between the catering firms and logistics companies at Arlanda airport outside Stockholm, where refugees wait “to be allowed to return home”, as the authorities put it (quite the euphemism), as the outcome is certain as soon as they cross the threshold, which is why they can only actually be said to be waiting for deportation or “repatriation”, the official formulation, which makes homesickness, a leitmotiv in the epic tradition of which you were born, appear a sentence, for, if there were anything like a home country to return to, it would have to fulfil the minimum requirements for a home, and therefore be capable of looking after its citizens.

Contrast
But that is not the case, and this twisting of words is a perversion from which no idiom can free itself, not entirely, as it is in the nature of language, not just to describe, but also to distort what it describes, so that the twist could be considered the other side of this changeability which I view as your noblest asset, as it takes contradiction to add contrast to reality, bringing me to the third commandment, which is why I think you should not be treated as a medium with which words are washed clean of dirty use, noble a job for water though that would be, but as the contrast medium with which the political or other conditions for the twist occur, for example the reasons why the staff in “custody” refer to “dignified” repatriation, meaning the moment when a refugee finally “feels that it is okay to return to their home country”, as they say, and deportation can finally be considered a common goal, while in truth it is about constructing a legal and rhetorical situation which can have but one outcome, and it is not really custody but a trap, albeit a legally watertight one, in which every action which does not confirm the conditions is criminalised sooner or later, and which, moreover, is the reason why the authorities so seldom believe refugees who have lost their passports, as a person without identification cannot be deported, at least not to their so-called home country, but to the first EU state in which they set foot – generally a member state at the outer edges of the Union, such as Greece or Spain, whose exclaves Melilla and Ceuta in North Africa are particularly popular first destinations for “them”, meaning the so-called migrants; in practice, this means that the core states of the union have built a legislative moat around themselves, which protects them against intruders, bringing me to the question of

Perspective
In a place like “custody”, this “they” is the lowest common denominator for the Somali mothers and Afghan youths and Iraqi fathers and Syrian children and Kurdish grandparents, all waiting to “feel it is okay to return to their home countries” and thus forced to exercise the most wicked form of nostalgia, and I wonder whether “they”, who by the way enable others to call themselves “we”, are not part of the “silent baggage”, which Herta Müller say literature can let talk, as what else does “they” mean other than non-inclusion, and accordingly a distinction between natives and foreigners, comprehensible speech and barbaric gibberish, or however else the relationship has been formulated through the centuries of tortuous distinctions, which we know only too well, and therefore anyone who seriously intends to let the silent baggage talk must bear responsibility for the content, if ever so slightly, which in turn means that “they” are considered as “we”, if ever so slightly, which means that perspectivisim remains one of the best ways to present contradictory contexts.

Legion (take one)
By the way, that is also the reason why the attempt  “to give Europe a soul” was one of the dafter ideas of recent history; one of the so-called fathers of the Union viewed this as its most important purpose, at least until certain Member States found somewhat creative uses for subsidies and taxation regulations, “donner une âme à l’Europe” was the slogan with which Jacques Delors called for cultural consolidation of the continent, a resolution that he certainly meant honestly, at least he believed that a common identity would have to be developed beyond the Schengen Agreement and currency zones, or else individual interests would threaten to destroy the union, but, with respect, the methods were naive, as one not only has to ask oneself whether a “soul” can be prescribed from above as though it were a savings measure or penicillin, one must surely be permitted to wonder whether Europe has but one soul or many, at any rate it is perhaps time to consider the preservation of diversity, and thus of differences, as part of the European inheritance, so that it would perhaps be easier to forget visions of a soul and instead to speak of legion, which is the fifth commandment, and, just because the word seldom means the same thing, it can also be the sixth.

Legion (take two)
As is well known, the word crops up in a scene in the Bible, another of your fountainheads, by the way, in which Jesus, after landing on a foreign shore, meets a man who “lives in the tombs”, where, possessed by an “unclean spirit”, he beats himself with stones, and “no man could bind him in chains”, in short: We have before us a fine specimen of an integration-resistant individual, not merely self-destructive but also at home among the dead, who, when asked his name replies: “My name is Legion: for we are many”, and I wonder whether that could be the motto for Europe as a literary continent, at any rate I must now reveal a secret, as I suspect that the statement is, if not a mini-version of our continent, at least of your genetic code, as in this statement something happens after the claim but before the conclusion, there appears to be a distortion in the heart of the sentence, as between the first and second clauses, the speaker transforms from someone who can say “my” into someone who calls himself “we”, and is that not precisely what you do, you transform every individual “I” into something of a “we”, for, the reader must put him- or herself into the position of every character mentioned, if only slightly, thus becoming a plurality, which means that the distortion is not contradictory to the change, but rather coexists with it, and that your promise to the reader lies in this metamorphosis, meaning that no-one seeking respite in you must leave you as the same person, that this metamorphosis entails a creative and a disruptive force, and if you are not merely to serve as a distraction, but as an autonomous form of knowledge, you cannot simply be satisfied with offering more or less well packaged treatments of pressing so-called “topics”, but must liberate yourself from the expectations of what you are or should be, and instead surprise with what you can become – the seventh thing I am thinking of means nothing less:

The paperless
What would be another name for “the silent baggage” you unpack between the book covers, at least if literature refers to a way to go further than language actually allows, and thus a form of knowledge which asserts itself where memory and reason are not enough, and of course I am aware that people “without papers” or paperless people generally refers to people who cannot or do not want to verify their identity with the required documents, which in some parts of Europe gives them roughly the same standing as the outlaws of the Middle Ages, but this status of being without papers also touches something important in you who were born when the printing press began reproducing letters on cellulose, for is it not in your nature to attempt to assimilate the as-yet unwritten, the unlegitimated in a certain sense, perhaps even illegitimate, which of course does not mean that these human experiences were unlived, but that they remain as-yet unformulated, and this desire to lend words to the paperless is part of your being, and that you, if you take yourself seriously, strive with all your might to express what has not been brought to paper yet, and strictly speaking, I know no better reason for your existence.

Transience
I in any case am not among those who believe you immortal, that is, a form of expression to endure and remain known and indispensible in all ages, for just a few hundred years have passed since you took your current form, and how do we know that you must live on in this form; on the contrary, I believe in your aqueous ability to take on new shapes, liquidity remains your greatest asset and perhaps only reliance on it will ensure your survival, as though the belief in transience could actually save you, which, by the way, would be my eighth commandment, this transience, as I presume that only when you assume it do you have more to offer the reader than a tale, and only then do you become a narrative consciousness, capacious enough to hold a clandestine humanity, and, hand on heart, that is what it is all about, namely

Participation
Which brings me to my ninth commandment, this participation to which Brecht referred when he envisioned humans not as “individuals” but as “dividuals”, in other words as social rather than existential beings, for while even the staff in “custody” may know that the rights of a human are universal and that, as a result, they are inviolable and indivisible, and must be treated as an individual, however as social beings, they consist of bonds, are equally atoms and molecules, and that is how I envision a narrative consciousness, as something that is simultaneously greater and smaller than the ego, and therefore always more intelligent than its creator, meaning a creation comprised of bonds, and I wonder whether that does not mean that you should ideally be a text whose centre is everywhere, at least I readily admit that would be my most secret dream, this text whose centre is everywhere, as only in this way does it seem possible to do justice to the world in its confusing opulence, and also capture the levity and joy in a life that is simultaneously a hell, in spite of everything, hope is not the same as a happy ending, and in spite of everything, the aim is not to bring people to life from your imagination, but to set lives in motion; now lovers of order must surely be wondering whether such books exist, or whether they will be written in future, and what do I know, perhaps it is merely a paperless pipe dream, but the best way to predict the future must still be to invent it, and I admit that as a reader, I grew tired long ago of a prose which proves what we do not know, but at the same time already knows, like all these well-bred tales, praiseworthy school essays, in which the subjects and persons are different but the conventions remain the same, as though nothing had happened in the epic form in the last one hundred years, and I really wonder whether it must be so, I do not understand why you could not just as well be a catalogue of breaths, described as individually and lovingly, or seven cases of pain, spread among eight and a half beings, for the punchline must be that literature is not a pyjama party, at which our greedy desire for comfortable co-existence replaces the flair for complication, but now I hear the lovers of order impatiently pawing the ground, so okay, let me mention a handful of works in just as many languages where I feel that the centre is everywhere; let me do what no author with self-preservation instincts should do and mention Herta Müller’s The Hunger Angel, Mircea Cărtărescu’s Orbitór trilogy, Nina Bouraoui’s Mes mauvaises pensées, Aleksandar Hemon’s The Question of Bruno, Sara Stridsberg’s The Dream Faculty and Andrzej Stasiuk’s On the Road to Babadag, books which have all been published since the turn of the millennium and in which readers encounter a narrative consciousness which gives them goosebumps, and it is as though I spoke legion in these texts, and then, to be honest, it is entirely irrelevant whether they are set in Ukrainian labour camps or on the couches of French analysts, in Albanian villages, or Romanian tenements; here, what was previously paperless speaks about and to its conditions – and how about, to finally reach the tenth thing I think of when I think of you, to consider this the clearest way literature creates evidence, these

Goosebumps
No, I do not mean that narrative prose should prove theories, and even less that its responsibility is to announce truths, however important they may be, but if it really moves us, it gives a feeling of irrefutability, it contains something against which we as readers have no defence, an unrest or excitability, perhaps consternation, possibly fascination, at any rate something tantamount to a promising anomaly that we are deeply familiar with it in some hidden way, which does nothing to reduce our goosebumps, on the contrary, it shows us that we have no other choice, we must consider it part of our being, as though literature really does know more about us than we do ourselves, and I believe that if the art of prose is to remain relevant in future, it must create such evidence, with all means at its command, it must become a producer of goosebumps, for is the tingling skin not a bodily analogy for a text whose centre is everywhere, these countless miniscule bumps, each of which forms its own epicentre, which, by the way, is the reason that producing meaning in literature is never about growth but about excess, and I imagine that you, Novel, about whom I have been talking the whole time as though one could talk about you like a person, you hair-raising excess of meaning, promise nothing less that, which is why I allow myself to add an eleventh superfluous commandment, namely

Surprise
For you are no secure “abode” or “lodging”, neither “sanctuary” nor “building” – just some of the words I find when I search for synonyms for house – and least of all a “fortress”, referring to a structure whose primary task consists in preventing penetration, in other words in preserving the status quo; on the contrary, you are a spiritual aggregate, whether it is called legion or a narrative consciousness, which is why you should perhaps be considered a collective novel without a collective, in spite of which circumstances will have it that I reflect on you in conjunction with the “House of Europe”, but this erratic litany presumably reveals that I cannot imagine you as permanent or impregnable, isolated or exclusive, nor that you rise above as-yet unknown paperless regions of human experience like the winged Pegasus, who once rose from the seas, this mythical horse conceived by Poseidon and Medusa, and a traditional symbol for the art of poetry; I prefer to believe that you are more down-to-earth and man-made, and already in our midst, as a promise or curse, like that strange object, more patchwork than mythical beast, which was wheeled into Troy one day – a dusty horse holding more than anyone could have imagined, that became both dream and nightmare, and I believe it could be your totemic animal, you strange promise of success and destruction, you hair-raising surprise, and when one considers that you stood at the coast of Asia Minor at the beginning of the saga, it becomes clear that your centre is not necessarily Europe, but could be anywhere, which both threatens you and makes you appear threatening, and therefore infinitely desirable, which, in the end, is the only thing I think all the time when I think of you.

Translated from the Swedish by Paul Berf



Notes: Some information is from Björn Hedlund’s polemic essay The Fort’s Walls (Stockholm: Atlas, 2012). Herta Müller‘s opening speech at the Göteborger Book Fair in 2011 was entitled “Letting the Silent Baggage Talk”. Brecht‘s comments on human beings as  “Dividuals” are in “Marxistische Studien” (Marxist Studies), Gesammelte Werke (Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1967), Volume 20, Page 60.

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